The road beneath my feet

Frank Turner

In Zeiten von Corona fehlt mir mein liebstes Hobby gewaltig: das Besuchen von Festivals und Konzerten. Ehrlich, ich weiß gar nicht, wie ich es schaffe, ohne verrückt zu werden. Eigentlich wären wir in diesem Jahr bereits auf vier 4 Konzerten und einem Festival gewesen.

Wie schaffe ich jetzt die Überleitung zu meinem heutigen BuchTipp: Ich schreibe es frei heraus: Die Autobiografie von Frank Turner, die keine Autobiografie sein will, konnte mich zwar ein wenig über meine Konzert-Flaute hinweghelfen, hat mir im Grunde genommen aber nur eins gezeigt: Ich habe noch viel mehr Bock auf ein Konzert zu gehen als eh und je!

Klappentext

Frank Turner ist ein Künstler mit Herz auf der Zunge. In „The Road Beneath My Feet“ erzählt er von seinen ersten Gehversuchen als Solomusiker, von durchzechten Nächten und Momenten der Klarheit. Das Ende seiner Hardcore-Band Million Dead im Jahr 2005 war für ihn der Anfang eines neuen Weges, der bis heute von seiner neuen musikalischen Liebe zum Folk geprägt ist. 1.254 Shows später wird Turner gefragt, ob er bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2012 auftreten möchten.

„The Road Beneath my Feet“ erzählt die Geschichte zwischen diesen beiden Daten. Im Stil eines Tagebuch gewährt Frank Turner Einblicke in den Alltag auf Tour und hinter die Kulissen des Poppig. Doch selbst wenn er von Exzessen und Konfrontationen schreibt, behält er stets die Füße auf dem Boden. Frank Turner ist nicht nur als Songwriter ein sehr genauer Beobachter, auch als Autor entgeht ihm nichts.

Aus englischem Post-Hardcore-Frontman wird Folk-Singer-Songwriter

Ich höre Frank Turner erst seit wenigen Jahren, habe ihn damals bereits als Sänger seiner Hardcore Band Million Dead kennen gelernt. Schätzen lernte ich ihn als Solokünstler aber erst so richtig, als wir 2014 nach San Francisco zogen und ich ihn zum ersten Mal, kurz nach dem Anschlag auf das Bataclan am 13. November 2015, mit meinen besten Freunden im Fillmore, SF erlebte . Danach nochmal mit meinem besten amerikanischen Freund Michael P. Lee im Warfield, einem ehemaligen 1922 erbauten Varieté-Theater, fast einem Jahr nach meiner Schwangerschaft 2017.

„Frank Turner is god’s way of apologizing for Justin Bieber“

Als Million Dead 2005 nach „unüberbrückbaren Differenzen“ die Segel strichen und sich als Band verabschiedet hatten, stand Turner bereits im Konflikt mit einigen Songtexten, die er für die Post-Hardcoreband geschrieben hatte. Das macht sich in seinem Buch bemerkbar. Auf den 320 Seiten versucht er sich regelrecht von den hochpolitischen Themen in den Liedern frei zu schreiben, zur denen er nach der Bandauflösung nicht mehr komplett stehen konnte. Immer wieder betont er, dass er sich von einem Anarchist zu einem pro-kapitalistischen Liberatisten entwickelt hatte, der zwar weiter politisch, aber vor allem poetische Texte aufs Papier und die Bühne bringen will. Das Wichtigste sei ihm jedoch das Live-Spielen und die Möglichkeit mit den Fans zu interagieren.

Mich interessierten vor allem die Geschichten und Zusammenkünfte, Gigs und Auftritte mit anderen Bands in dem Buch. Beispielsweise spielen NOFX und Chuck Ragan, ebenfalls ehemaliger Lead-Sänger der Post-Hardcoreband Hot Water Music (ob er am November 2020 in Frankfurt auftreten wird?) eine wichtige Rolle. Unter anderen auch der Labelgigant Epitaph. Außerdem wird ein Konzert im Exhaus in Trier erwähnt. Ein kleiner abgefuckter miefender Konzertkeller, wo ich Nathan Grey von Boysetsfire mit seinem Soloprojekt The Casting Out und Götz Widmann erlebt hatte.

Green Day haben an Turner geglaubt und ihm mit dem Engagement als Vorband am 19.6.2010 in Wembley zum ersten Stadionauftritt verholfen. Trotzdem: Frank Turner ist und bleibt ein DIY-Musiker für mich, mit der reinsten kindlichen Spielfreude eines Musikers, die es braucht, um sich nach und nach an die Spitze zu spielen. Dahin, wo er jetzt ist, wohin ihn viel Schweiß, Tränen, verschiedene Drogen, genügend Alkohol, eine großes Durchhaltevermögen, ehrliche Freunde, Fremde, Glück, die Leidenschaft und seine Berufung hingeführt und auf seinem Weg begleitet haben, um ihn auch mal hin und wieder zu verlassen.

Wie sehr ich Konzerte vermisse…

Immer wieder stellte ich mir vor, wie die einzelnen Konzerte gewesen sein mussten, welche Euphorie im Publikum herrschte und mit welchem Enthusiasmus und mit welcher Spielfreude sich der Ausnahmemusiker Frank Turner, eigentlich Francis Edward Turner, vor seine Fanbase stellte, die er sich mühsam über die Jahre als Solokünstler aufgebaut hatte. Nicht selten wollte ich einen Stagedive mitten ins Buch machen. Hauptsache nah genug bei den aneinandergereihten Buchstaben, die sich in meinem inneren Ohr zu einer Melodie zusammen setzten.

Selbst in der Schwangerschaft mit Ronja 2016 habe ich ein Anti Flag Konzert besucht und mich mit meiner besten Freundin, damals auch schwanger, auf dem Ruhrpott Rodeo herumgetrieben. Etwas weiter hinten, versteht sich, aber (Live) Musik, vor allem Punkrock, spielt nach wie vor eine immense Rolle in meinem Leben. Noch kein einziges Konzert in diesem Jahr besucht zu haben, ist (genauso wie Corona selbst) Ausnahmezustand in meinem Leben, denn ebenso wie Turner jeden seiner Auftritte schriftlich festgehalten hat, notiere ich mir seit dem 3. September 2000 (Hard Pop Days, Koblenz) jeden Konzertbesuch und welche Menschen mich begleiteten.

Nur 1.254 bis berühmt

Frank Turner hatte nach dem Aus von Million Dead nicht nur Blut geleckt. Er konnte und kann nicht ohne die Musik und schon gar nicht ohne das Touren. Er schlief auf fremden Sofas, buchte sich seine eigenen Konzerte in den unmöglichsten Locations, fuhr mit dem Zug quer durch ganz England (ist bis heute ohne Führerschein) und begeisterte mal einen kleinen Kreis von 2, 3 Menschen bis schließlich nach 1.254 Konzerten (allesamt fein säuberlich dokumentiert, von A wie Angstschiss bis Z wie Ziemlich professionell alles lief, wie geschmiert. Die Sleeping Souls (anfangs Dive Dive) und er, eine weiß bekragte Band aus London, die bis heute gemeinsam Musik macht und sich auch schon beinahe auf ihrem Weg nach oben verloren hätten.

Große Vermissung, aber …

Dieses Jahr bleiben meine Konzertdoku-Seiten leer! Dafür war „The Road Beneath My Feet“ ein (kleiner) Trost. Als nächstes werde ich mir „Do What You Want“ die Bandbiografie von Bad Religion zu Gemüte führen, um schnell wieder Konzertluft in meinem Kopf zu schnuppern.

Frank Turners Autobiografie ist unterhaltsam, ehrlich, super informativ, schonungslos, spannend und kurzweilig. Er gibt als Vollblutmusiker Einblicke in das Musikerleben „on the road“. Ein wahrhaftiges Muss für jeden Turner Fan, aber durchaus auch für jede:n geeignet, der/die das Band- und Musikerleben einmal hautnah mitverfolgen will und Lust auf den ein und anderen Einblick in andere Bandfamilien und in den Kopf eines Musikers erhalten will.

Wenn man in Büchern auf Reisen gehen kann, dann funktioniert das auch mit Konzerten und Festivals! Empfehlung für alle Konzertgänger:innen

Welche Konzerte und Festival wolltest du in diesem Jahr besuchen?

Danke fürs Lesen und deine Aufmerksamkeit.

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