Willkommen zum letzten MontalkSchnack. Heute kehren wir noch ein Mal nach Berlin zurück: Mit diesem grandiosen Schnack möchte ich mich auf unbestimmte Zeit von euch und Schriftverkehr verabschieden.
Ich freue mich umso mehr, nicht zuletzt aus persönlichen Gründen, euch die Berliner Hebammenbloggerin Jana Friedrich, seit 17 Jahren Hebamme und selbst Mutter von zwei Kindern, vorzustellen.
Dieser Montalk ist zugleich Abschluss und Neubeginn in den vielleicht spannendsten Abschnitt meines (unseres) Lebens.
Wie war dein Wochenende Jana Friedrich?
Super, vor allem da es ja ein besonders langes war und quasi noch ist.
Ich hatte auch fast frei. Es gab an jedem Tag nur jeweils zwei Hausbesuche zu absolvieren. Das ist wenig und somit hatte ich viel Zeit mit meiner Familie, für Sport und Freunde.
Auf deinem Blog teilst du dein Wissen und deine Erfahrung als zweifache Mutter und Hebamme seit 17 Jahren über Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Wann und wie kam es dazu, dass du dich dafür entschieden hast, das, wie du schreibst »alte Wissen frisch zu bloggen«? Was war der Initialfunke für dich, als HebammenBloggerin werdenden Eltern »Informationen, Beratung und »Zutaten« zur Meinungsbildung« im Internet zu geben?
Den Blog betreibe ich jetzt seit wunderbaren vier Jahren. Davor kam es immer wieder vor, dass mich Frauen, die ich betreute, auf im Netz Gelesenes ansprachen. Und leider war es oft unqualifiziertes Halbwissen, das dort verbreitet wurde.
Erst sagte ich immer: „Ach lies doch nicht so viel im Internet, damit machst du dich nur verrückt“. Aber wie wir inzwischen alle wissen, ist das einfach der Ort, an dem man nun mal nach Informationen sucht.
Irgendwann dachte ich dann trotzig: „OK! Dann mach ich da eben mit und versuche es ein bisschen besser zu machen“. Es ist mir ein großes Anliegen, Frauen und Familien auch auf dem digitalen Weg Informationen und Entscheidungshilfen zukommen zu lassen, z.B. durch stärkende und motivierende Geschichten.
„Altes Wissen, frisch gebloggt“ – Ich hatte einfach ein Bild davon im Kopf, diese alte Kunst in die Gegenwart zu holen und dabei vielleicht auch ein wenig zu entstauben. 😉
Deine TOP 3: Wenn du dich für die drei erfüllendsten Merkmale und umgekehrt für die drei frustrierendsten Seiten deiner Berufspraxis als Hebamme entscheiden müsstest, was würdest du aufzählen?
OK, dann erst mal die schlimmen Sachen:
Top 1: Natürlich die unbefriedigende, ruinöse Versicherungssituation für uns Hebammen.
Top 2: Das ist das Defizitdenken in Bezug auf Schwangerschaft und Geburt: Ständig wird nach Fehlern gesucht und nach Risiken. Es ist schwer für Frauen, sich fallen zu lassen und einfach guter Hoffnung zu sein.
Top 3: Die meisten Frauen haben echt große Ängste in Bezug auf die Geburt. Das ist schade, weil eine Geburt doch auch ein so ermächtigendes Erlebnis sein kann. Um dazu beizutragen, habe ich mein eBook „Das Geheimnis einer schönen Geburt“ geschrieben.
Jetzt aber zu den tollen Sachen…
Mein Beruf ist natürlich einfach aus 1000 Gründen der wunderschönste Beruf der Welt! Wo soll ich da nur anfangen?!
Top 1: Es immer wieder eine Ehre den Moment zu begleiten, in dem ein Neugeborenes das erste Mal von seiner Mutter in Empfang genommen wird. An dieser Freude Teil haben zu dürfen ist immer wieder unglaublich.
Top 2: Im „digitalen Leben“ freue ich mich sehr über die vielen Kommentare und Mails, die mir zeigen, dass ich die Menschen wirklich erreiche und ihnen helfen kann, den eigenen, individuellen Weg zu finden. Dieses virtuelle Rückenstärken finde ich toll. Genau dafür bin ich vor 4 Jahren als bloggende Hebamme angetreten.
Top 3: Das Tolle an meinem Beruf ist auch, dass er so vielseitig ist und es dadurch immer wieder möglich wird neue Schwerpunkte zu setzen: Kreißsaalarbeit, Vorsorge, Wochenbettbetreuung, Geburtsvorbereitung, Aufklärungsarbeit – langweilig wird das nie!
Erfahrungsbericht: Gibt es einen Geburtsbericht von dem du immer wieder berichten könntest? Wenn ja, warum genau von diesem?
Die Geburtsberichte, die regelmäßig bei mir im Blog erscheinen, suche ich sehr sorgfältig aus. Sie haben immer ein bestimmtes Thema – eine Botschaft, wenn man so will. Daher liebe ich sie tatsächlich alle. Ja, es gibt zwei Favoriten, aber die verrate ich nicht – jede Geburt ist doch einzigartig!
Zynisches Augenzwinkern: Mit dem selbstironischen Ratschlag »Lest bloß nicht so viel im Internet ;)« rätst du von einem Googlemarathon bei werdenden Müttern (und Vätern) ab. Gräbst du dir damit nicht selbst das Wasser ab? Wie lässt sich dieser bissige Fingerzeig verstehen? Was verschweigt man werdenden Mamis bei ihrer ersten Geburt und was wird für deinen Geschmack viel zu oft diskutiert?
Naja, das ist natürlich eine kleine Anspielung auf meine Blog-Motivation (siehe Frage 2) ;-).
Ich bin nicht fürs Verschweigen. Ich finde aber, dass man die Dinge bewusst und manchmal sogar sehr behutsam in einen vernünftigen Kontext setzen muss, ansonsten kommt es einfach falsch rüber. Wenn z.B. eine Erstlings-Schwangere in einem Forum, in dem sich Frauen über schreckliche Geburten austauschen liest, dann muss sie zwangsläufig denken: „Geburten sind schrecklich.“ Das prägt sich dann ein. Was sie dort aber nicht erfährt ist, dass der Verlauf von Geburten immer auch davon abhängig ist, wie gut man sich vorbereitet hat, wer einen begleitet, wie die Betreuung abläuft und wie viel interveniert wird. Stichwort: Selbstbestimmte Geburt.
Lernt man aber etwas über den normalen Ablauf und die diversen positiven Optionen, dann
verschwindet das Gefühl von Machtlosigkeit und Fremdbestimmtheit. Dadurch wird der Weg – für diese eigentlich gut annehmbare Herausforderung – dann frei.
Es kommt also nicht darauf an, wie viel, sondern was man liest. Ich versuche den Leserinnen dafür ein guter Filter zu sein.
Wunschfrei: Stell dir vor, du könntest deinen persönlichen Lieblingsplatz zur Geburt wählen, zudem in deinem Lieblingsland, in der Geburtsposition deiner Wahl, mit den Lieblingsmenschen an deiner Seite, zur Traumgeburtstunde mit besten Voraussetzungen auf gutes Gelingen und komplikationslosem Verlauf: Wie würde die Schlagzeile der Zeitung lauten, wie würde das Pressefoto dazu aussehen und was würde drunter stehen?
Das muss ich mir gar nicht wünschen, denn ich habe das Glück, zwei wirklich gute Geburten erlebt zu haben. Die zweite war vielleicht noch ein bisschen schöner, weil sie in heimischer Intimität stattfand. Also:
„Nächtliche Traumgeburt“ (Auf dem Foto sieht man die glückliche Familie in morgendlichem Sonnenschein im Familienbett lagern.) „Die wunderschöne, unkomplizierte Hausgeburt fand in einer sternenklaren Nacht in einer Berliner Altbauwohnung statt. Betreut durch eine kompetente, aber zurückhaltende Hebamme und begleitet und bestärkt durch ihren Herzensmann, gebar Jana innerhalb von wenigen Stunden ihr Sonntagskind auf dem heimischen Bett im Vierfüßlerstand. Alle Beteiligten, inklusive der (nun großen) Schwester, sind sehr glücklich.“
Mythen und Ammenmärchen: Magst du mit wenigstens drei falschen Annahmen über Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett endgütig aufräumen?
Die Bauchform der Mutter hat nichts mit dem Geschlecht des Kindes zu tun. Gelüste auf Süßes oder Saures haben keine tiefere Aussagekraft. Und (ebenfalls statistisch belegt): es werden zu jeder beliebigen Mondphase gleich viele Kinder geboren. Der Vollmond bringt nicht mehr – der abnehmende Mond nicht weniger Kinder…
Due Date: Deine drei wichtigsten Affirmationen für den Tag der Tage!
Ich bin voller Kraft und Zuversicht
Jede Wehe/Welle bringt mich meinem Baby näher
Ich bin entspannt und weich
Affirmationen sind etwas sehr persönliches und oftmals Typsache (nicht jede Frau steht also drauf). Ich wünschte, ich hätte bei meiner ersten Geburt ein richtiges Geburtsmantra gehabt, aber meins kam damals leider aus der Hölle. 😉
Bitte vervollständige: Eine gute Geburt ist wie …
… eine transformative Reise: Sowohl das Kind, als auch die Mutter werden dadurch neu geboren.
Was wäre, wenn ich eine gute Frage wäre? Wie würde ich lauten?
Was wünscht du dir für die Geburtshilfe der Zukunft?
In der Geburtshilfe verläuft immer alles in Wellen. Mal wird alles stark technisiert und mal geht es wieder hin zu mehr Natürlichkeit. Momentan habe ich das Gefühl, dass eine Abspaltung im Gange ist: Ein Teil der Menschen ist super ängstlich und sicherheitsbedacht.
Ein anderer Teil ist von diesem Sicherheitsdenken und den vielen daraus resultierenden Untersuchungen und Interventionen so abgeschreckt, dass sich ein Trend zur Alleingeburt breit zu machen scheint.
Ich wünsche mir, dass beide Extreme sich wieder annähern und wir zu einer guten, maßvollen, zurückhaltenden Geburtshilfe zurückfinden. Ich wünsche mir viel mehr selbstbestimmte, geborgene, schöne Geburten, mit denen die Frauen zufrieden und happy sind.
Mich würde sehr interessieren, wie deine Leser das sehen.
Schnackt mit und teilt uns in den Kommentaren eure Meinung mit!
Vielen vielen Dank, liebe Jana. Es war ein tolles Interview mit ganz vielen wichtigen Botschaften, die mich meinem großen Tagen ganz entspannt näher bringen.
Ich danke dir!
Bis bald, bleibt gesund, danke für eure Aufmerksamkeit, eure Treue und eure Kommentare,
eure
Ein Gedanke zu „#15 Der Montalk mit einer Hebamme“