2. Türchen: Ansichten einer Konserve

»Guten Morgen Frau Schnarre. Wieder Probleme mit der Schulter?«, fragte Herr Hornberger leidenschaftslos.2

»Da sagen Sie was, da sagen Sie das«, entgegnete Frau Schnarre, winkte und schnaubte, so als hätte sie genau verstanden, was er gemeint hatte.

In Wirklichkeit hörte sie nur recht wenig von dem was man sie fragte, und wenn, dann nur das was sie hören wollte. Mit vorsichtigen Schritten zogen sie und ihr Rollator gemächlich an Herr Hornberger vorbei.

Orangenöl, kam es Herr Hornberger in den Sinn.

Obwohl er genau zu wissen schien, was ihn erwartete, warf er dennoch einen prüfenden Blick in Frau Schnarres blau-rot geflochtenen Einkaufskorb, der notdürftig am Rollator befestigt vor sich hin hing. Er war beruhigt. Wieder das übliche, dachte er.

 Püree, Flaschenbier, Dosenpfirsiche, Quark und Hackfleisch. Jeden Morgen. Und natürlich die Tageszeitung von gestern. Herr Hornberger verkaufte sie für zwanzig Cent das Stück und Frau Schnarre glaubte dem aktuellen Tagesgeschehen auf diese Weise ein Schnippchen schlagen zu können.

 »Wenn sich da mal was ändert, werden die Zeiten schlimmer. Alles wie immer«, murmelte Herr Hornberger und schüttelte grinsend den Kopf.

 »Die Zeiten bleiben immer. Die Leute werden schlimmer«, rezitierte Frau Schnarre plötzlich. »Ringelnatz, Herr Hornberger. Ringelnatz«, enthüllte sie weiter und bog in den nächsten Gang. Wie jeden Morgen…