Ina kennt sie vor allem von ihren Großeltern.
Diese Taste, mit den zwei in sich verschlungenen Kreisen. Der Unendlichkeitsschalter des Telefons sozusagen.
Die Schnittmenge all ihrer Erinnerungen. Die Wahlwiederholung.
Wenn es sie im wahren Leben doch nur gäbe.
Diese Taste, wie die auf dem in die Jahre gekommenen olivgrünen Posttelefon ihrer Großeltern, das immer noch auf dem Seefahrerkommödchen im Flur wartet. Stets wartet und geduldig ist.
Wenn Ina an den Apparat denkt, dann kommt ihr auch die Kommode wieder in den Sinn und wie sie sich als kleines Mädchen auf Zehenspitzen nach oben reckte, um sie zum ersten Mal zu wählen. Sie erinnert sich dann auch an den Salzteig, den sie gebacken und so lange zu Figuren geformt hat, bis ihr Vater sie von Oma und Opa abgeholt hat. Daran erinnert sie sich und an alles andere sonst. An die Wahlwiederholungstaste. Und früher.
Vieles hat sich in den Jahren verändert. Die Taste ist immer noch dieselbe. Genauso wie ihre Oma.
Die ist nur alt geworden. Mehr nicht. Noch immer erzählt sie die gleichen Geschichten und trägt dazu ihre jugendliche Frisur. Sie kleidet sich adrett und redet nur, wenn sie gefragt wird.
Nichts hat sich ins Gegenteil gewandelt. Bis auf ihre Sehkraft vielleicht, aber das ist wohl normal, wenn man älter wird. Wahrscheinlich fährt sie deswegen nicht mehr mit dem Auto zum Einkaufen. Es hat sich wirklich nichts verändert.
Außer vielleicht, dass Inas Opa gestorben ist. Damals. Vor ein paar Jahren. Und dass er jetzt nicht mehr winken oder sich mit einem Kopfstreichler von Ina verabschieden wird. Und dass er nicht mehr mit der ganzen Familie am Tisch sitzen kann, um Linsensuppe mit Essig zu essen. Sonst ist aber noch alles beim Alten.
Inas Oma wohnt noch immer in demselben kleinen Haus am Stadtrand. Sie bepflanzt ihren Garten mit Rosen und erntet Erdbeeren. Von ihr hat Ina gelernt, dass die Gartenerdbeere zu den Rosengewächsen gehört. Ihre Oma besucht immer noch denselben Blumenladen, kauft jeden Dienstag die gleichen Petunien, um das Grab ihres Mannes zu schmücken und verbringt den Vormittag auf dem Friedhof.
Dort denkt sie an ihn. Und an Ina. Und an ihre Söhne. Sie melden sich nicht mehr, seit Inas Opa tot ist. Sonst ist aber noch alles genauso, wie es einmal war.
Ihre Oma singt immer noch die ewig währenden Lieder und sie spricht die altbewährten Gebete.
Sie riecht nach der gleichen Creme wie zu jenem Zeitpunkt, als Ina noch ein Kind gewesen ist und sie backt immer noch die köstlichsten Reibeküchlein und bezieht das Bett mit der unvergleichlichen Flanellbettwäsche, die in Lenor und Luft gebadet hat.
Als Ina ihre Oma zum letzten Mal gesehen hat, meinte sie, dass früher mal alles besser gewesen sei.
„Wenn ich die Wahl hätte, dann würde ich alles anders machen”, hat sie gesagt.
Wenn es sie im wahren Leben doch nur gäbe.
Diese Taste. Wie die auf dem in die Jahre gekommenen olivgrünen Posttelefon ihrer Oma.
Ina will sie bald besuchen. Es ist schon wieder viel zu lange her.