Wie man(n) oder Frau mit Baby bloggt

london-scout-41029Dieser Artikel wird ein Selbstversuch. Dabei bin ich mir noch nicht mal sicher, wohin die Reise gehen soll. Ein Titel steht immerhin. Doch auch ohne festes Thema soll dieser Bericht selbst das Thema sein. Und Experiment zugleich. Der Versuchsaufbau ist dabei so simpel wie logisch: Baby, Mac, MamaALLTAG. Die Sache mit dem Baby und dem Bloggen eben. 

16:20 Was ich vor habe

Es ist Nachmittag. 16:20 Uhr. Wir sitzen auf dem Teppich im Wohnzimmer. Es ist der rote Langflor von Ikea. Alhede. Meine Tochter hat das gesamte Sortiment an Unkaputtbarbüchern vor sich ausgebreitet und mir liegt der Mac auf den Beinen. Aufgeklappt. Ich versuche nun seit acht Minuten die passenden Einleitungsworte zu finden, immerhin möchte ich meinen Blogbeitrag „in medias res“ beginnen. Anders funktioniert es auch nicht. Meine Notizen habe ich während ihres Mittagsschlafs, der keiner war, weil er nicht mittags stattgefunden hatte, der auf einen Block gekrakelt. Er liegt neben mir auf dem Teppich. Noch. Die Schokoladenfingerabdrücke sieht keiner. Ich würde den Laptop ja gerne auf dem Wohnzimmertisch ablegen, aber den haben wir vor einem halben Jahr in den Keller verbannt. Ziemlich genau nachdem das Kind drohte, sich seine zarte Stirn an der spitzen Kante aufzuschlagen.

Meine Intension zum Schreiben dieses Artikels ist jedenfalls, …

16:31 Perspektivwechsel: Küche

Wo war ich stehen … nein, sitzen geblieben? Jetzt auf dem Küchenboden! Ich musste mit dem Mac in die Küche wandern und unterbreche meinen Gedankenfluss nun zum ersten Mal. Zum Glück ist der Laptop so reisefreundlich. Wenn ich da an meinen ersten PC denke … Dann mach ich mir jetzt wenigstens einen Kaffee. Ich nehme es mir vor. Diese neue Starbucksröstung! Ich mag Starbucks erst, seitdem wir in Amerika wohnen. Ich habe sogar ein Photo vom Headquarter in Seattle geschossen. Fangirl. Bin gespannt, wann die erste Doku von ARTE über den Konzern berichtet. Dann mag ich sie vermutlich nicht mehr.

16:36 Bartisch und Feuerlöscher: I am ready

Recht schnell wird klar, das Baby wird wieder aufstehen. Szenenwechsel. Mit einem Affenzahn schießt sie in die entgegengesetzte Richtung. Wie ein kleiner betrunkener Gnom wackelt sie auf ihren starken Beinchen in den Essbereich, hin zu Barhockern und Feuerlöscher. Da sie bereits seit ihrem neunten Lebensmonat läuft, steuert sie recht zielstrebig die Ecken der Wohnung an, die wir mit imaginären „Verbotsschildern“ ausgestattet haben. Obwohl es mittlerweile gar nicht mehr viele sind, weil das meiste in „babyfreundlich“ umfunktioniert wurde, ist doch noch ziemlich viel Potential zum Erkunden da. Mülleimer. Wet-Swiffer. Dirt Devil. Eigentlich ist der Bereich vor dem Kühlschrank (dort verweilten wir bis vor 4 Minuten) Ronja-Territorium. Sie will aber lieber an den Feuerlöscher. Der muss jederzeit zugänglich sein, denke ich, deswegen kann ich ihn nicht wegbugsieren. Da steht er! Wie ein Flaggschiff der Versuchung. Gemacht für Neugiernasen. Ich stelle ihn auf die Fensterbank.

16:45 „Hier spielt Ronja“

Nach einigen Überredungsversuchen, die schließlich mit einer Flugzeugimitation ihres Körpers enden, schaffe ich es, ihr Interesse wieder auf die Küche zu lenken. Da diese mit  interessanten Gegenständen, wie Messern oder Scheren natürlich ein Spielplatz der Gefährlichkeiten darstellt, haben wir Gefahrenherde besser verriegelt als eine Knastzelle. Damit wir ihr nicht alles verneinen, hat sie da jetzt ihren Schrank neben dem Backofen, dessen Türen sie öffnen darf, wannimmersiewill. Töpfe, Holzkochlöffel, Plastikschüsseln.

Und sie will, wannauchimmer. Es ist natürlich nicht ihr Schrank. Aber da hängt ein Schild am Schrankknauf: „Hier spielt Ronja“ und ehrlich gesagt bin ich mir gar nicht mehr so sicher, wieviel Schrank davon noch mir gehört. Immerhin gibt sie mir die Dosendeckel, die da im Inneren den Schrank hüten, manchmal sogar ganz freiwillig.

Jedenfalls handelt es sich um zwei Schrankabteile, die sie bespielen darf und stets ist es eine Wonne sie in meinem Rücken zu wissen, wenn ich beispielsweise Obst zurecht schnitze oder das Mittagsessen koche. Wir sitzen also mitterweile auf dem eben beschriebenen Küchenboden. Ich vor Apple, Ronja vor Tupper. Ob ich mir noch geschwind den Kaffee mache, von dem ich eben schwärmte, kommt es mir und ich setze es um, bevor es zu spät sein könnte.

17:03 #ErstmalKaffee

alexandra-gorn-325610Dramatisch war mir die Packung mit Kaffeebohnen aus der Hand geglitten. Ein braunes Meer aus Röstaromen machte es sich auf dem Boden gemütlich. Es dauerte nicht lange, da war meine Räuberin zur Stelle. Das Goldkind parkte ihre Fingerchen in den Bohnen und war so nett mir zu helfen. Auf ihre Art. Aus der Not eine Tugend machen, dachte ich, griff in „ihren“ Schrankabteil, fingerte die alte Milchflasche heraus und befüllte sie mit den am Boden liegenden Bohnen. Hektisch übergab ich ihr das Rasselinstrument. Gekonnt benutzte sie die Flasche wie einen Shaker und war beschäftigt. Bis jetzt. Und aufgeräumt war auch schon. Bloß den Kaffee, den hatte ich wieder vergessen. Dann bekommt das Kind jetzt eben einen Keks.

17:12 Wie gehe ich vor – Wie blogge ich mit baby

Eigentlich will ich herausfinden, unter welchen Umständen ich es schaffen kann, mir selbst über die Schulter zu schauen, während ich einen Blogartikel schreibe. Dabei stelle ich mir zwei Fragen. Wie lange kann ich konzentriert an dem Artikel schreiben, den ich gerade schreibe und welche Gedankengänge kann ich überhaupt während meines Mamaalltages zu Ende bringen, sprich: Wie blogge ich neben meinem Baby?

Ich habe mir überlegt, die Zeit, die ich zum Schreiben dieses Artikels brauche zu stoppen und weil ich ja nur in Phasen und Abständen schreiben kann …

17:09 Das Baby ist BERGSTEIGER

Ronja klettert an mir hoch. Erst tatscht sie mit ihren Keksfingern den Bildschirm meines Macs. Dann klappt sie ihn zu. Ich wieder auf. Leidenschaftlich rasselt sie mir die Kaffeebohnenflasche ins Ohr. Rettend hebe ich den Mac von links nach rechts, um weiter schreiben zu können. Das Kind kommt auf die selbe Idee. Die Spiegelneuronen funktionieren prächtig. Wieder zurück – von rechts nach links. Einige Sekunden gut gemacht. Dann nähert sie sich mir aus dem Hinterhalt und – woher hat sie jetzt den Löffel? Sie wird nicht müde mir mit diesem immer wieder auf die Tastatur zu klimpern. Das Gerät schwebt erneut von links nach rechts und in Lebensgefahr.

n l =\ ndjdialk
Kurz steigt sie auf die Tastatur und trampelt herzhaft auf ihr herum. Sie erwischt den Ausknopf. Schockstarre. Sicherungskopie? Erinnerungen werden wach.  „Datentourette“ kommt wieder hoch.

17:15 UNvorhergesehenheiten, wie sie nur so wimmeln

Ich will euch jedenfalls daran teilhaben lassen, wie das bei mir funktioniert. Dieses Schreiben mit Kind. Das Thema dieses Artikels wird voraussichtlich Zeitmanagement werden. Darüber habe ich bis jetzt noch nicht sehr viele Worte verloren.

Panisch wische ich dann mit dem Zeigefinger in die rechte Ecke meines Bildschirms. Jetzt erkenne ich, dass mein Akkubereich rot leuchtet. 10%. Auch das noch! Ich kriege leise die Krise, Jetzt muss ich also erstmal laden. Den Akku und meine Nerven.

17:35 Multitasking – und beides kommt zu kurz

Zur Veranschaulichung: Meine Stoppuhr hält die Minuten fest und ich denke schon darüber nach, wie ich den Artikel „in Form bekomme“. Das ist ja alles bloß erstmal der Rohbau!
Dieses Experiment bedeutet natürlich, dass ich weder meinem Kind die nötige Aufmerksamkeit schenke, die es verdient, noch, dass ich mich auf den Artikel konzentriere.

Außerdem bedeutet es, dass ich mir selbst nicht genügen werde, weil meine Stärke und mein Anspruch nicht im Multitasking liegen. Wenn ich mit einer Sache beschäftigt bin, versuche ich mich so gut es geht nur auf diese eine Angelegenheit zu konzentrieren. Da dieser Versuch allerdings impliziert, dass ich meine nicht vorhandene Multitaskingfähigkeit einsetzen muss, versteht sich von selbst, dass etwas leiden wird. Weder dieser Artikel, noch das Kind werden also 1A aus diesem Versuch gehen. Von meinen Gefühlen ganz zu schweigen.

18:05 Baby hat hunger

Wir sitzen uns mittlerweile am Tisch gegenüber. Es gibt Abendbrot. Das Kind verlangt Nachschub! 

Himbeeren nachladen. Das Brot ist bereits gemufelt. Mit einem freundlichen “Bitteschön” fülle ich ihren Teller mit den roten Früchten auf, die ich mir zuvor à la Amelie Poulain auf die Fingerkuppen gesteckt habe. Das Kind quietscht. Danach greife ich zum Handtuch, um nicht mit Himbeersappschefingern zurück an die Tastatur zu kehren.

18:10 Überraschung, wir sind zu dritt

Die Himbeeren sind leer. Baby braucht bald Brot. Noch mehr. Verzeihung. Eigentlich handelt es sich um Toast und eigentlich ist sie auch nicht mehr mein Baby. Das sagt zumindest die App, deren Wocheninhalt ich gerade eben kurz überflogen habe. „Ihr Baby ist inzwischen ein Toddler geworden“, so heißt es. 

Frechheit! Sie wird auf immer mein Baby bleiben. (Meine Autokorrektur macht aus Toddler „Todadler“. Erstmal twittern!)

Surprise! 

Papa tritt überraschend in die Szenerie. Shuttle hatte Verspätung. Jetzt ist er da. Dass bedeutet, ich kann ohne schlechtes Gewissen am Bartisch bei meiner Familie stehen bleiben und weiter schreiben. Auch noch in Echtzeit!

markus-spiske-187777

18:10 papa übernimmt

Jetzt muss ich dem Mann erstmal erklären, was ich hier tue. Schließlich stehe ich mit Mac und Mufel-Sound der Tochter mitten im feinsten Sonnenuntergangspanorama und stoppe Zeiten mit Handyuhren. 

Der Mann ist wenig überrascht. „Ich kenn dich ja“, brummt er und mein Tatendrang interessiert ihn nicht sonderlich. Aber erst ist da. Mit ihm zusammen, ist alles leichter, denn er übernimmt ab jetzt die Räubertoch –

18:11 und plötzlich lässt man alles stehen und liegen

… Fütterung. Was ihr gerade nicht sehen konntet, ist, dass wir dem Kind gemeinschaftlich in bester Synchronschwimmmanier den Rücken beklopft haben. Verschluckt! Am offenen Apfelmus! Es diente als Brotaufstrich und hatte sich gemeinerweise in die Luftröhre verirrt. Nebenbei zeigt die Tochter dem Vater jede Menge neuer Laute. Auch ein paar Worte sind dabei. Ich höre “Scheiße” heraus, muss mich zurückhalten nicht zu lachen und bin mir im nächsten Moment unsicher, ob ich das wirklich lustig finde. Lieber sollte ich mich hüten. Vulgär sein kann ich und der Satz „Das hat sie von ihrer Mutter“ liegt so nahe wie die ausgesspeichelte Brotkruste auf dem Tisch vor mir.

18:26 Entweder Baby oder bloggen

Mir fällt ein, dass ich die Wäsche umtopfen muss. Von Trockner in Waschbütt, von Waschmaschine in Trockner und von anderem Wäschekorb in Waschmaschine. Der Kreislauf der Sauberkeit. Mich ärgern meine Eichhörnchengedanken. Ich glaube, das hier kann noch sehr sehr lange dauern.

Fazit: Lachen ist leicht. Sonst nichts.

Danke für eure Aufmerksamkeit,

deine

Logo_hilgert_rgb

Verfasse doch gerne einen Kommentar. Es gilt die Datenschutzerklärung.