Eine Frau brach zu einer Wanderung in die Berge auf. Sie hatte geplant am frühen Nachmittag wieder zurück zu sein, also machte sie sich noch vor dem Sonnenaufgang auf den Weg. Sie genoss die frühmorgendliche Ruhe, konnte den Ausblick auf den flaschengrünen Ozean aber nur erahnen, weil ein Nebelvorhang ihr die Sicht verwehrte. Sie war den ganzen Tag unterwegs.
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Als es immer später wurde und sie schließlich bemerkte, dass ihre Strecke sie nicht wie gedacht auf einem Rundweg zurück zu ihrem Ausgangspunkt in das Fischerörtchen führen würde, machte sich Unbehagen in ihr breit. Sie ärgerte sich über ihre leichtfertige und undurchdachte Tourplanung, ihr Groll hielt aber nicht allzu lange an.
»Was soll ich nun tun, außer die Gegebenheiten hinzunehmen?«
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Kurz darauf ließ sich auf einem harten Baumstumpf nieder, um ihre gegenwärtigen Möglichkeiten zu überdenken. Ihre Entscheidung fiel schließlich einfach aus: Sie ging zu dem Gedanken über, sich auf denselben Weg zurück zu begeben, auf dem sie gekommen war.
›Das ist das Vernünftigste. Außerdem weiß ich, was mich erwartet und ich verlaufe mich nicht, auch wenn mir auf diesem Weg nichts Neues begegnen wird. Ich bin genau diese Strecke bereits gelaufen.‹ Sicher in ihrer Entscheidung begab sie sich auf denselben Weg zurück.
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Die Sonne stand tief als sich die junge Frau auf ihren Rückweg machte. Nach einer Weile erreichte sie eine Stelle, an die sie sich gut erinnern konnte.
Ein mächtiger Baum trennte den Pfad, auf dem sie bereits vor einigen Stunden unterwegs gewesen war und gabelte ihn in einen oberen und einen unteren Teil. Hatte sie sich am Mittag noch für den einen entschlossen, entschied sie sich jetzt für den gegenüber liegenden Streckenabschnitt. Da erblickte sie einen gelbbläulichen Pilz von stattlicher Größe, der die Rückseite des Baumstammes bewuchs.
»Wie nur wäre er mir aufgefallen, wenn ich nicht zurückgekommen wäre?«, fragte sie sich und war sichtlich erheitert vom eben erlebten Anblick.
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Sie ging weiter und erkannte die unverwechselbare Wurzel, die ihr auf dem Hinweg frech ein Bein gestellt hatte. Vorsichtig stieg sie nun über sie hinüber und befühlte behutsam ihre grimmigen Knollen. »Danke, dass du dieses Mal netter zu mir warst.«
Der Sonnenstand kündigte an, dass die Dämmerung in naher Zukunft liegen musste und ebenso wie die gleißende Kugel am Himmel, war auch die Frau müde von ihrer Wanderung geworden.
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In der nächsten Kurve begegnete sie dem erdigen Moosbett, das sie am Morgen wegen seines gemütlichen Aussehens bewundert, jedoch nicht zur Rast genutzt hatte. Jetzt streifte sie ihren Wanderbeutel ganz selbstverständlich von den Schultern und machte es sich auf dem weichen Untergrund gemütlich.
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Selig nickte sie ein, bis sie ganz plötzlich von einem erhellenden Kinderlachen geweckt wurde. Ein kleines Mädchen stand dicht neben der Frau und kitzelte sie am Kinn: »Warum liegst du hier?«, fragte das Kind neugierig. »Ich genieße hier jede Minute«, gab die Frau lächelnd zur Antwort.
Dann stand sie auf, streckte sich und genoss den Weg des Abstiegs, den sie am Morgen noch beschwerlich bergauf bestreiten musste.
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Nach dem Wasserfall, an dem sie auf dem Hinweg nur vorübergezogen war, kostete sie jetzt vom reinen Quellwasser des Felsens und stillte ihren Durst. Das Plätschern stimmte sie fröhlich. Bestens gelaunt zog sie weiter, das Wanderschild vom Morgen erwartend, das ihr die Meilen anzeigen sollte, welche sie nun noch bis in das Fischerdörfchen zurückzulegen hatte.
Statt des Wegweisers erbot sich ihr ein einzigartiger Blick ins Tal, der ihr kurz vor Tagesabschluss eine einmalige Sicht auf den Ozean freilegte.
»Mir scheint als hätte nie zuvor Wasser gesehen«, sagte die junge Frau fasziniert, und sie genoss, hinunter ins Tal blickend und von der Schönheit des Augenblicks ergriffen, einen atemberaubenden Sonnenuntergang.
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Zurück im Tal angekommen, passierte sie schließlich den Startpunkt vom Morgen. Mit dem erlebten Sonnenuntergang im Gedächtnis, begab sie sich in ein Restaurant, nahm ihr Journal zur Hand und schrieb diese kleine Geschichte auf.
»Die Begegnungen meines heutigen Tages sind nur entstanden, weil ich denselben Weg zurückgegangen bin. Dabei ist kein Weg jemals derselbe. Auch wenn es so scheint. Jeder Weg ist anders. Und neu.«