Ein Sammelband: Lyrik und Kurzprosa
Marie Döling
»Denn ein Wort hat die Gabe der Vernunft,
die Kraft eines Glaubens
und die Macht über Leben.«
Mit ihrem Debüt »Sequenzen der Wörtlichkeit« hat Marie Döling 2018 ein abwechslungsreiches, konsequentes und starkes Werk vorgelegt, das seinesgleichen sucht. 2019 ging es in die Zweitauflage. Es ist der erste Band einer Reihe. 2020 folgten »Sequenzen der Wirklichkeit« (Buch.Tipp folgt!) und 2021 sollen voraussichtlich »Sequenzen der Menschlichkeit« die Folge abrunden.
»In diesem Sammelband treffen sich in vier Sequenzen lyrische und kurzprosaische Texte. Themen wie Liebe, Weltschmerz, Moral, Zwischenmenschlichkeit, Umwelt und Krieg werden aufgenommen und literarisch miteinander verknüpft.«
Klappentext:
Ich nehme das Leben, ziehe es ganz aus
Bis die Hülle voller Vorurteile fällt.
Und schmücke die Strukturen mit Buchstaben.
So zeichne ich die Menschen.
Das Leben und die Welt mit Wörtlichkeit.
Um hinter die Fassade zu blicken.
Denn ein Wort hat die Gabe der Vernunft
Die Kraft eines Glaubens und die Macht über Leben.
Meine Meinung
Jede »Sequenz« erhält eine eigene Tiefe und eine pathetische Dedikation, die mir das Gefühl geben sollen, gebraucht zu werden, in dem Moment, in dem ich die Seite umblättere und Maries Gedichte lese. Die Rechnung geht auf. Die Gedichte sprechen mich nicht nur an, sie wirken auf mich, als hätte Marie sie für jede:n die:der sie liest persönlich geschrieben. Sie wirken wie ein Mosaik, ein großes Puzzle. Jedes Gedicht und jeder Prosatext hat exakt seinen für es bestimmten Platz. Als gäbe es keinen zweiten in dem Buch.
An Maries Buch gefällt mir besonders gut, dass sich, wie auf dem Cover angedeutet, eine aus Wachs oder Öl freigesetzte thermische Energie in Form einer Flüssigkeit in Bewegung setzt, die sich durch das gesamte Buch zu ziehen scheint. Ähnlich wie dem roten Faden, sind des hier die seifenblauen, aber auch die heftigen und dunklen Wellen des Ozeans. Die grünen Wachssprenkel, die Hoffnung schenken und die Herzensgedichte, die meine Wangen erwärmten.
Einfachheit
Ich würde dich in Worte schreiben,
die nicht existieren.
In Farben malen,
bunt in bunt:
Die Landschaft meines Herzens.
In Sätzen zeichnen,
einfach so.
Es ist schön die wiederkehrenden Inspirationsquellen der Autorin, Lyrikerin, Lektorin und Setzerin aufzuspüren und sie und ihre Person in ihrem Werk zu entdecken. Der Ozean beispielsweise scheint eine tiefe Sehnsucht bei ihr wecken und auch die Leerzeichen zwischen den Buchstaben ausgewählter Worte scheinen typisch zu sein, was man sowohl in ihrem Debüt als auch in ihrem Instagram Profil merkt.
Vom Titel über den Klappentext, ja selbst die Widmung, liest sich wie eine Mischung aus selbstreflektierender Anklage und wortbegeistertem Hoffnungsschimmer. Jede Sequenz steht für sich und mit seiner eigenen Wortkraft ist das gesamte Büchlein ein Schatz. Bis zum Ende gut durchdacht, was mir besonders positiv an dem Sammelband aufgefallen ist.
Von Kollege:innen und mir selbst weiß ich, wie hoch der Anspruch einer »harmonischen Ordnung« in Gedichtbüchern ist, dennoch ist mir bei Maria die außerordentliche Wirkung ihrer Anordnung aufgefallen. Die:Der Leser:in weiß immer genau, was sie in der folgenden Sequenz erwartet, mit schlüssiger Rücksichtnahme auf den Titel »Sequenzen der Wörtlichkeit«.
Übersetze ich den Begriff »Wörtlichkeit« auf Englisch, so komme ich bei »literality«, also der Buchstäblichkeit, der wörtlichen Bedeutung, heraus.
Wir dürfen Marie in ihrem hübschen Band also stets »beim Wort« nehmen.
Ein wohltuendes und zugleich verheißungsvolles und hoffnungsschaffendes kleines Büchlein, bei dem sogar die Widmung Potential zum Lebensmotto hat. Nun habe ich euch die Widmung bereits zwei Mal angeteasert. Ich wollte sie euch nicht vorenthalten.
Danke Marie, für dieses schöne Buch, das ich gern gekauft habe.
Jenny.