Oder: Ich lese Querbeet
Es könnte doch so einfach sein: Als Autorin wirft man sich in seinen gemütlichsten Sofazwirn und wälzt neben Sartre, Kleist und Handke natürlich auch noch Goethe und Bachmann.
Danach sinniert man einige Zeit über das Gelesene, selbstverständlich mit sich selbst, tätigt eingehende Mitschriften nebst einer Tasse Tee und begibt sich alsbald mit dem Notizbuch an den
Lieblingsschreibort und verarbeitet die Eindrücke zum eigenen Stil. Als Schriftstellerin muss man also lesen. Nur “Gutes”. Versteht sich.
Aber ist das tatsächlich so?
Die Antwort ist Jein!
Eine Schriftstellerin liest, weil das Lesen wie “die gute Seele” ihres SchreibSelbst ist. Sie wohnt in ihr, massiert ihre Inspiration in einem gleichmäßigen Takt, während sie von den Musen in Grund und Boden geknutscht wird.
Ok. Unverzärtlicht: Man muss als Schriftstellerin nicht lesen. Man tut es. Es passiert einfach.
Und wie war das
mit dem “Guten”?
Es ist nicht egal was du liest. Aber es ist wichtig, dass du liest.
Die Regale einer Autorin können dunkle Geheimnisse hervorbringen und der eigene Internetverlauf mitunter vernichtend sein.
Ein bisschen Sachromantik, keine Lyrik, den neuen Fitzek, ein Fitzelchen Erotik, umso mehr Triviales, wenig Historisches, nichts Fantastisches, außer Kinder- und Jugendliteratur.
Die Lesevorliebe mancher Schriftsteller*innen lässt sich mal mehr im Darkroom der Literatur ansiedeln lässt, als dass sie auf weltliterarischen Höhenkämmen wandelt.
Dabei kommt es vielen Kritikern nicht auf das Genre an, in das sich die jeweilige Schriftstellerin fallen lässt. Vielmehr rückt die Frage in den Fokus, welche Einzelwerke gelesen werden und die Behauptung, dass die Autorin eines Liebesromans auch selbst Liebesromane liest.
Zugegeben, es liegt auf der Hand, dass eine Schriftstellerin, die Krimis schreibt, sicher selbst einen Hang zur verworrenen Mörderjagd hegt und sich Inspiration im “eigenen” Genre holt. Das Werk einer Schriftstellerin zu lesen ist letztlich wie ihr beim Träumen zuschauen zu dürfen.
Auch Kinderbuchautorinnen werden um die Werke wissen und sie auch kennen, die für Kinder und deren Eltern relevant sind und sich gerade in den Buchlisten befinden.
Darf man nur in dem Bereich lesen, in dem man auch gerne schreibt?
Eine Wissenschaftlerin liest sicher auch den neusten Klatsch in der Yellowpress, den man nicht zuletzt im Wartezimmer des Doktors seines Vertrauens findet. Bedeutet das gleich, dass ein Arzt davon ausgeht, die eigenen Patienten verfügten nicht über einen höherrangigen Intellekt?
Und darf die hochgefeierte Thriller-Autorin nicht trotzdem mit dem 0815-Blog ihrer Wahl liebäugeln, obwohl sie sich am nächsten Tag in einer Talkshows dem Thema “Wie gefährlich-einfach sind Bloginhalte heutzutage gestrickt?” stellt.
Ob sich eine Päpstin immer nur theologische Fachbücher reinzieht und die Historikerin nicht auch mal zum “Bergdoktor” greift?
Verzeihung, ich verschachtele mich. Worauf will ich überhaupt hinaus…
Die Arbeit einer Schriftstellerin in Frage zu stellen, weil sie es sich auch mal gerne mit einer “Verballhornung der Literatur” gemütlich macht oder etwas von der umstrittenen Kritikerin liest, die sich beim Verfassen ihres Werks keine Glacé-Handschuhe übergezogen hat, bevor sie das Papier bearbeitet hat, ist menschlich. Aber nicht fair.
Es hat nichts mit ihrem Schreibcharakter zu tun. Es sei denn, man mag ihren Stil nicht und deswegen liest man sie nicht. Das ist Ok. Punkt.
Wie so oft im Leben, geht es um Unterhaltung. Um Geschmack. Um Einfachheit. Und nicht zuletzt um das eigene Interesse, das sehr sehr weit gehen darf.
Bis man jemand anderem auf die Füße tritt? Nein. Soweit nicht. So lange du niemandem schadest, darfst du deine Interessen vor den Füßen des anderen platttrampeln, wie du möchtest.
Vieles was den eigenen Geschmack versalzt und die Passform verliert, sobald man Berufsgruppen wie Schriftsteller*innen in ein Bild hineinpresst, alles was in den eigenen Ohren unglaublich klingen mag und die eigene Vorstellung übersteigt, ist trotzdem möglich.
Nur Dumme Menschen lesen (solche) Schundromane
Meinungskundgabe, zündelnde Provokationen und unverblümte Offenbarungen beeinflussen sicher immer. Machen Angst.
Unbewusst.
Die Sympathie zu einer Person, sei sie Autorin, Metzgerin oder Politikerin, wird nicht selten an den eigenen Vorlieben und Wertvorstellungen gemessen.
Auch das “Leseverhalten” fällt darunter.
Sei mal ehrlich: Eine Merkel, die Fußballbücher läse, erhielte mehr Sympathiepunkte im Geiste als eine Metzgerin, die “Vegane Kochbücher” vertriebe. Und eine Comicautorin, die noch nie etwas von “Charlie Hebdo” gehört hat, würde eher als unglaubwürdig gelten, als eine Informatikerin, die ihren eigenen Blog betreibt.
Nicht authentisch genug! würde das Fazit der krakeelenden Menge lauten. Einen Stempel, den man sich nur aufdrücken lässt, wenn man es auch aushalten kann.
Die Kunst des Schreibenden liegt darin, nicht alles zu verraten und mit einem selbstironischen Aushängeschild bunter Infos stets im Einklang mit der eigenen Eitelkeit zu bleiben.
Mir hat mal eine nette Stimme gesagt: “Wenn du Jemand sein willst, sei es doch einfach. Aber pass auf.”
Da ist was dran. Dieses Zitat saugte ich auf, verinnerlichte es und verklamüstere es zu meinen Gunsten. In sämtlichen Bereichen.
- Wenn du tanzen willst, dann tanze. Aber sei vorsichtig.
- Wenn du ein „Nein!“ denkst, dann sprich es aus, aber erkläre warum.
- Wenn du Comics lesen willst, dann lies sie. Aber sprich nicht mit jedem darüber.
Ich komme damit ausgesprochen gut zurecht. Für den Moment. Denn es bedeutet Vollgas mit angezogener Handbremse und das “aber” wiegt dabei tonnenschwer.
Die Themen des Lebens, über die man nachdenkt und anspricht, haben mit Entwicklung und Selbstwert zu tun.
Trotzdem kann ich bei der Liste meiner Lieblingsbücher ganz entspannt sein. Ob ein Buch gut oder schlecht ist, hängt nicht davon ab, was die Autorin vorher gelesen hat, sondern davon, wie ich ihr Buch finde.
Und Geschmack ist ja bekanntlich nur ein Vorgang im Kopf. Und Kunst ist ohne Ketten. Gottseidank.
Danke für die Aufmerksamkeit
Leseempfehlung:
„Unwürdige Lektüren. Was Autoren heimlich lesen.”
* “Sorry, ich bin ne Frau” und wollte mal wissen, wie sich eine strikt-weibliche Formulierung während des Schreibens anfühlt.
Ein Gedanke zu „Warum du meine Werke liest oder du mich in Zukunft weiträumig umschiffst – Teil I“