Festivalpoesie
Ich war am vergangenen Wochenende mit Freunden auf dem Punk in Drublic in Köln. Der Tanzbrunnen am Rhein bot die perfekte Location für den Festivalauftakt des Punklabels Fat Wreck Chords, ansässig in San Francisco, Kalifornien. Michael „Fat Mike“ Burkett, Frontmann der Band NOFX, hatte geladen und ein sattes Programm auf die Bühne gestellt. Das unabhängige Label Fat Wreck ist neben Epitaph, das von Bad Religion-Gründungsmitglied Brett Gurewitz betrieben wird, eines der erfolgreichsten und professionellsten Punklabel der USA.
Sich mit den soliden, absolut tiefgründigen Bad Religion am richtigen Platz fühlen. Textsicher jede Zeile von Anti-Flag mitgröhlen, auch wenn die Anti-Liste von Konzert zu Konzert länger wird: Anti-Terrorism, Anti-Feminism, Anti-Homophibia, Anti-Queere, Anti-LGBT, … Naja, das ist in unseren Zeiten wohl bitter notwendig.
Kloschlangen sind auch nur Wasserwarterei
Mit Menschen, die ähnlich denken, gemeinsam feiern und zu Less than Jake dancen, Spaß quittieren und Trinkfestigkeit zelebrieren. Alles friedlich und zufrieden.
Und irgendwann muss man dann eben mal. Und wer pinkeln will, der und sie muss Geduld haben. Da ist schon absolut „untypisch“ und geradezu verwunderlich, dass die Schlange am Männerklo, die der Frauen um Längen schlug. (Als meine Schwester die Männer auf die Damentoiletten einlud – nach dem Motto: „Heute helfen wir euch scheißen“ – mein absolutes Highlight!)
Viel wichtiger jedoch, das, was man zu Kloake trägt, muss zuerst einmal getrunken werden.
Und damit kommen wir auch schon zu meinem eigentlichen Punkt. Massen, die sich nicht nur in Kloschlangen drängeln. Ich bemängele jetzt in keinster Weise die miserable Organisation an den Bierbrunnen des Tanzbrunnens. Jeder einzelne an den Getränkeständen muss mit dem Andrang von 15.000 Menschen erstmal klarkommen. Klar bin ich abgefuckt, wenn der Sound von NOFX ertönt und ich selbst noch in der Limo – Verzeihung Kölschschlange – hänge. „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ – klar, das nervt.
Aber einen viel dickeren Polizist finde ich, die Verwährung auf den Zugang zu Trinkwasser.
Jetzt, meine Damen, meine Herren, in diesem Moment, erhält das Lebensquell seinen verdienten Auftritt: Ich bitte das Wasser aufs Tablett, das Wasser bitte!
Wasser erwartet alle
Ich will nicht erwähnen müssen, dass ich mich hier aus einer absolut glücklichen Lage heraus äußere, und dass ich mich auf dünnes Eis begebe, von der geringen Oberflächenspannung mal ganz abgesehen. Trotzdem: Wasser ist für alle da. So auch an einem 8 Grad mittelheiteren Tag mit der Aussicht auf Regen inmitten von Punkern, die offensichtlich nicht nur Bier brauchen.
Es ist ein Hohn eine 0,2 Flasche Wasser für 4 Euro zu verkaufen, zudem die Tatsache, dass man sich mit anderen Bierlaunigen in die gleiche Reihe stellen muss. Das halte ich ebenso für ein Verbrechen wie die Privatisierung von Wasser durch Nestlé. Der Vergleich hinkt, ist in seinen Grundzügen aber nicht falsch, denn jemand der Wasser braucht, braucht Wasser.
Alle haben Bock zu feiern, alle haben Bock sich die Bands anzugucken, am liebsten in Echtzeit, aber sich für eine Miniflasche Wasser an das Ende einer Schlange anzustellen, bei der kein Ende in Sicht ist, ist vergleichbar mit dem Wunsch nach Frieden in einem Raum, in dem Trump Supporter mit dem Hang zum Ballern hocken.
Ich habe die 4 Euro dann bezahlt, nachdem die Dame, bei der ich mich mit Engelszungen vorzudrängeln versuchte, nach einem langen Hin und Her meinen Seitensprung akzeptierte. Der Bierstandschönling war wiederum nicht so leicht davon zu überzeugen, dass wir jemand an Bord hatten, dem es mit einer Flasche Wasser binnen Sekunden unheimlich viel besser gehen könnte. Sicher hatte dieser auch gesoffen, sicher hatte dieser nicht ausreichend gefrühstückt, sicher war aber auch, dass nur noch ein Wasser helfen konnte, um seine Situation zu verbessern.
Der Kölschkollege hinterm Tresen hielt es nach 5 Minuten (!) weiterer Diskussion für angebracht, mich dann doch, völlig überfordert von der Situation, und nachdem ich ihn schon fast soweit hatte, der Schlange zu verweisen. Ich solle mich, wie alle anderen, hinten anstellen.
Klar, in Deutschland haben wir Vorgaben. Wir handeln nach Befehlen und da geht alles andere natürlich gar nicht. #humanrightsifitsworthy
Am Bierbrunnen herrscht Krieg
Dude, glaub mir: Für eine Limo, Verzeihung Kölsch, hätte ich mich hinten angestellt. Auch wenn es nicht um das Wohlbefindens meines Freundes* gegangen, wenn es schlicht und ergreifend nicht um eine menschliche Hilfestellung gegangen wäre, von den überhöhten Preisen, die für das Wasser verlangt wurden und als Auftragspflichtverletzung gilt mal ganz abgesehen.
Erst als ich ihn dann mit dem bekräftigenden Argument, auf die Hilfe der RettungssanitäterInnen zurückgreifen zu müssen, hatte ich ihn dann soweit. Hell Yeah! Eine Flasche Wasser für aaaaaalllleeeeee!!!
Wasser für alle – alle für Wasser
Der Bierstandbarista gab mir auf 10 Euro raus. Stimmt so, sagte ich und trug ihm auf, das Rückgeld zu behalten und sich umgehend bei vivaconagua registrieren zu lassen, um die verbliebenen 6 Euro zu spenden.
Wenn Wasser ein Menschenrecht ist, dann muss man auch die Bedienungen, vor allem, aber nicht nur auf Punkrockkonzerten, dahin gehend anpassen, dass nicht Bier, sondern dass Wasser es ist, was uns am Leben hält.
*Bei dem Freund, von dem ich im Text gesprochen habe, handelt es sich übrigens um mich. Und ja: An der Frauenschlange wäre ich sicher schneller zu meinem Wasser gekommen.
Eure