An diesem Montag kehren wir von Berlin zurück, mit einem kleinen Umweg über den Hunsrück und landen geradezu erdig-lebendig auf der anderen Rheinseite im weinseligen Rheingau, genauer gesagt in Geisenheim.
Gerade nach der Veröffentlichung meines blitzaktuellen Buches „DichtBlick – wenn kunst gedanken kriegt„, für das ich mit der Künstlerin Diana Frasek zusammen gearbeitet habe, faszinierte mich vor allem der kreative Prozess der anderen, der Künstlerinnen Seite, der Vorgang – von der zündenden Idee zur Zeichnung.
Es ließ mich nicht mehr los wie etwas „Gemaltes“ entsteht. Wie geht eine Symbiose aus Kunst und Poesie? Wie wird ein Wort zum Gemälde, zum Kunstwerk?
Zu meiner großen Freude konnte ich für diese und andere Fragen und für meinen MonTALK die Künstlerin Sitta Derstroff gewinnen.
Ich habe sie durch meine ARS-Kollegin Pia Forkheim, aka Franziska von Schleyen, kennen gelernt, als ich auf der Suche nach einem einzigartigen und individuellen Hochzeitsgeschenk für unsere besten Freunde gewesen bin.
Zwei Paar Converse und Kritzelkunst zur Hochzeit
Genauso selten wie der Name der Künstlerin ist auch ihre Kitzelkunst. Ihre Werke sind ein „lebendiger Dialog“ zwischen ihr und dem Betrachter. Auf ihrer Seite „SITTART – lebendig und bunt„ – beschreibt sie selbst, dass sie durch ihre Kunst mit dem Betrachter spricht und dass ihr Kunst und Mensch gleichermaßen am Herzen liegen.
„Meine größte Inspiration ist der Alltag“ und das kann ich nur bestätigen. So hielt Sitta meine Anfrage für alltagstauglich und schon nach nur wenigen Informationen, gab sie sich dem Abenteuer Auftrag Converse-Bekritzleung hin.
Es dauerte nicht lange, da waren das Material, in unserem Fall die Schuhe bestellt und Sitta begann „wilder Vorfreude“ mit ihrer Arbeit. Dass das Ergebnis dabei offen bleiben würde, war mir bewusst. Die Künstlerin wollte lediglich ein paar Eckdaten und Randinformationen zum Hochzeitspaar, ansonsten folgte sie ganz ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten.
Als wir uns dann in ihrem alten Atelier trafen, übrigens ist Sitta umgezogen und am 25. September 2016 soll Eröffnung des neuen Ateliers in Geisenheim sein, konnte ich feststellen, dass nicht der Stil oder die Art zu Kritzeln im Vordergrund stehen, sondern Sittas Vision, wofür sie den Wechsel und die Erfahrung benötigt, um sich individuell ausdrücken zu können.
„Und dazu ist mir jedes künstlerische Mittel recht.“
Es wird was es wird – eine Kritzelei
„Mein Tag beginnt kreativ, die beste Vorrausetzung im Alltag bunt und lebendig zu sein. Ein Kaffee direkt nach dem Aufstehen, ein Fineliner, ein leeres Blatt und ein freier Kopf sind die beste Voraussetzung für meine morgendlichen #Kritzeleien.„
„Das morgentliche Kritzeln ist zu einem großen Teil meines künstlerischen Ausdrucks geworden, vor allem gerade auch duch den Einsatz von Farbe und den entstehenden Kritzeleien“
Wie war dein Wochenende Sitta Derstroff, Malerin und Künstlerin?
Also weißt du, ganz schön anstrengend. Ich habe mit meinem Mann noch die letzten Feinarbeiten in der Küche meines neuen Ateliers gemacht. Endlich habe ich ein Spülbecken und die Arbeitsfläche ist fertig. Ich freue mich darauf hier zu arbeiten.
Am Sonntagnachmittag genoss ich die Spätsommersonne und hab aufgetankt.
Persönlich: Wie würdest Du Dich als Künstlerin beschreiben und welche Art von Kunst machst Du?
Ich würde sagen, das Leben ist grundsätzlich ein Gesamtkunstwerk und ich fühle mich so mittendrin. Das Leben stellt Fragen, ich suche die Antworten und umgekehrt. Meine Kunst entsteht mit der Wahl des Materials und am Ende das Prozess sehe ich die Antwort und dass es sehr mit mir verwandt ist hihihi. Ich probiere alles aus, alles ist faszinierend und treibt mich an, weiter in meinem künstlerischen Dasein.
(Um)wege: Was lag vor deinem künstlerischen Weg und wie hat er sich dann letztendlich doch durchgesetzt?
Mein künstlerischer Weg begann als Kind und es war ganz klar, dass ich male, schreibe und kreativ bin… Alles was mir in die Hände fiel wurde bemalt, beschrieben und bekritzelt, nach dem Motto
„Narrenhände beschmieren Tisch und Wände“.
Das tue ich heute wieder (endlich), doch zunächst folgte ich der Familientradition und lernte Friseurin. Ganz brav und anständig.
Mit meinen Kindern belebte ich meine Kreativität wieder und zum Glück trat immer genau zum richtigen Zeitpunkt irgendeine Person oder ein Ereignis in mein Leben, so dass ich seit fast 20 Jahren auf meinem künstlerischen Weg bin.
Ich bin angekommen! Mein neues Atelier mitten in Geisenheim bietet nicht nur mir alle Möglichkeiten der Entfaltung, auch für alle anderen Kreativen ist Platz zum Ankommen, Ausprobieren, Einsteigen und Loslegen, denn das ist meine zweite Passion…. Menschen mit Kunst und Kreativität zu berühren und somit auch sich selbst.
Kritzeleien: Wir beide haben ebenfalls eine ganz besondere Beziehung zueinander. Eine gemeinsame Freundin brachte uns beide zusammen, als ich auf der Suche nach einem besonderen, individuellen und einzigartigen Hochzeitsgeschenk für meine besten Freunde war. Du und ich begannen uns zu schreiben bis wir schließlich einen Deal hatten. Unser Blinddate im Juli sollte erst der Anfang unserer Bekanntschaft sein.Die beiden Converse Paare sind mittlerweile verschenkt und bestens beim Hochzeitspaar angekommen.
Magst du anhand unserer Converse-Geschichte erklären, wie du an einen solchen Kritzel-Kontakt herangehst? Was ist die dabei die Herausforderung und was die Faszination?
Wie gesagt, ich bin neugierig und Unbekanntes reizt mich. Beziehungen sind meine immer wiederkehrenden Themen, das können Linien, Farben, Formen und natürlich auch Dinge und Menschen sein.
Ich gehe mit meiner Kunst ja immer in Beziehung, sonst wäre unser Deal ja niemals zustande gekommen. Die Kritzelschuhe von Pia gingen in Resonanz mit dir…und dann gingen wir in Beziehung miteinander.
Diese HochzeitsSchuhe zu bekritzeln, das war schon sehr besonders. Normalerweise kenne ich die Empfänger persönlich und dieser Auftrag war schon ein inspirierendes „Blind Date“. Ich stelle mir beim Kritzeln den Mensch oder das Thema vor und dann lasse ich los und spiele…. So einfach ist das eben.
Wiederkehrend: In einem Interview auf Genussliga verrätst du, dass deine liebsten Formate quadratisch und deine Lieblingsmotive grundsätzlich »Beziehungen« seien. Also die Beziehungen von Linien, Formen, Farben und Räumen zueinander und »wie bei meinen Kritzeleien, die menschlichen Beziehungen«. Außerdem sagst du, dass die Weiblichkeit eine »unendliche Wiederholung und große Rolle« spiele. Gibt es Motive, Materialien, Farben und Themen, die du innerhalb deines kreativen Schaffens ablehnst? Welchen Auftrag würdest du ausschlagen?
Grundsätzlich würde ich alles ausprobieren, was körperlich oder finanziell zu realisieren ist. Was Neues zu tun, reizt mich schon sehr und bringt mich weiter, jedoch würde ich mich auf keinen Fall verbiegen. Ich nehme Aufträge nur an, wenn ich frei arbeiten darf, denn ich verkaufe ja nicht nur ein Bild, im Grund verkaufe ich mich ja mit meinem ganzen Leben und diese Wahl lasse ich mir. So wie „in liebevolle Hände abzugeben“.
Was man so sagt: Kunst und Schönheit liegen im Auge des Betrachters. Wie siehst du das und denkst du, dass Kunst (immer noch) für sich selbst spricht oder ihr heutzutage ein »Partner« wie in meinem Falle, in meinem neuen Werk »DichtBlick«, einer Symbiose aus Kunst und Poesie, nur schadet?
Solche Sprüche sind überflüssig, Für mich gilt der Grundsatz: „Kunst kann alles, Kunst darf alles, Kunst muss nichts!“
Kunst sollte völlig sinnfrei entstehen dürfen und wer bitteschön macht denn die Regel und wozu gibt es dann bitteschön Ausnahmen?
Kunst ist für mich Beziehung und keine Geldanlage, sonst noch was?
Worthülsen mit Leben füllen: Kannst du beschreiben, wie ein »kreativer Prozess« funktioniert und läuft er bei jedem Menschen gleich ab?
Für mich ist das ein bedingungsloses Einlassen auf das was ist.
Ich nehme mich zurück bis alles weg ist, was um oder in mir ist. Dann beginnt ein Prozess oder vielleicht auch ein Tun, in dem Zeit und Raum keine Rolle mehr spielen. Ja, es ist ein Spiel mit unendlichen Möglichkeiten, bei dem ich selbst keine Wahl habe, sondern einfach nur meiner Intuition folge und zulasse.
Die Belohnung dafür ist ein Verschmelzen mit mir, mit allen Anderen und ich glaube auch mit dem Göttlichen. Es kann Stunden anhalten oder nur wenige Augenblicke, das ist ohne Bedeutung. Wahnsinn!
Kreativ Schaffende kennen das gut und wenn man es einmal erlebt hat, weiß man wie es geht und dann will man es immer wieder haben….
Wenn ich so arbeite kann ist alles ganz leicht, ein Geschenk.
Wunschvorstellung: Kombiniere deine Lieblingsfarbe mit deinem Lieblings-arbeitsmaterial, mische das ganze mit deiner Lieblingsjahreszeit, tunke es in dein liebstes Reiseziel und stelle dir den Künstler/ die Künstlerin an die Seite, die dich am meisten beeinflusst hat. Wie würde das Gemälde oder die Zeichnung dazu aussehen und wie lautete der Titel?
Ich liebe den September, den Spätsommermonat mit den schönsten Farben. Ich wäre gerne an der rauen Nordsee und mein Bild hieße „Sehnsucht“ es wäre expressiv wie die Kunst von Emil Nolde, obwohl ich nicht sagen kann, dass er mich am Meisten beeinflusst hat.
Ich würde es aquarellieren, keine Ahnung wo das jetzt herkam hihihi …
Bitte vervollständige: Friseure und Künstler haben eines gemein. Nämlich: …
…, dass beide im Prozess arbeiten und aus den Gegebenheiten das Beste herausholen. Ein kreativer Prozess, der mich selbst und andere glücklich macht.
Was wäre, wenn ich eine gute Frage wäre, wie würde ich lauten?
Was habe ich schon zu verlieren, außer meinem Leben?
Liebe Sitta, ich freue mich, dass wir uns über Pia kennen gelernt haben.
Danke für deine Kritzelkunst, deine Antworten und bitte auf babybald und vielleicht ein gemeinsames Projekt.
Danke für eure Aufmerksamkeit. Wir freuen uns über Kommentare, Anregungen. Kunst kann. In diesem Sinne,
eure
Ein Gedanke zu „#12 Montalk mit einer Künstlerin“